Im Gastgewerbe fehlen Fachkräfte. Indonesier könnten die Lücke kleiner machen. Die ersten haben eine Ausbildung in der Region absolviert.
VON CLEMENS BECKMANN (Trierischer Volksfreund)
So was nennt man einen Sprung ins eiskalte Wasser. Vor drei Jahren reisten Ricky Iskandar und Nicky Indrayana von der indonesischen Insel Bali nach Bernkastel-Kues – quasi von einem Ferienort in den anderen.
Ihr Ziel waren Hotels und Restaurants. Urlaub lag ihnen aber fern. Sie kamen, um sich für einen Beruf in dieser Sparte ausbilden zu lassen. Knapp ein Dutzend junge Indonesier kamen mit ihnen, mehr als 20 weitere sind bisher gefolgt.
Ricky und Nicky sind Zwillinge, obwohl sie verschiedene Nachnamen haben. Sie wussten, wo sie ihre theoretische Ausbildung machen. In der Berufsbildenden Schule (BBS) in Bernkastel-Kues, die gerade im Gastro- und Hotelbereich einen sehr guten Ruf genießt. Wo sie die Praxis absolvieren, wussten sie und die anderen nicht.
Es war mit dem „Waldhotel Sonnora“ in Dreis, eines der besten Restaurants in Deutschland. „Den Ruf kannten sie nicht, und es hat auch einige Zeit gedauert“, sagte Ulrike Thieltges, Witwe des 2017 verstorbenen Patrons Helmut Thieltges. Clemens Rambichler übernahm damals das „Sonnora“. Ulrike Thieltges blieb dem Betrieb treu und kümmert sich auch um die Azubis. Ricky und Nicky bezeichnet sie als „meine Söhne“.
Die beiden arbeiten im Service, also direkt am Gast, wo auch die Sprache ihre Bedeutung hat. Die anfangs noch nicht so guten Deutschkenntnisse wurden durch die Praxis im Betrieb und durch speziellen Förderunterricht schnell besser. Ricky und Nicky und weitere zwölf Indonesier haben ihre Ausbildung abgeschlossen. Für die anderen endet die Lehrzeit 2022 beziehungsweise 2023. Bei der Abschlussfeier sagen nicht nur die deutschen Mitschüler aus der insgesamt 28 Personen umfassenden Klasse ein paar Worte - auch die Indonesier gehen ans Mikrofon. Es wird deutlich: Das war mehr als eine Klassengemeinschaft, es war wie eine Familie, die nun auseinandergeht.
Indonesien-Projekt nennt sich die Arbeit mit den jungen Asiaten. Mit dabei ist seit einem Jahr auch der Kreis Bernkastel-Wittlich. Er nimmt mit weiteren deutschen Landkreisen an dem Projekt „Land.Zuhause.Zukunft“ teil. Ziel ist es, ausländische Neubürger ins gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben einzubinden. Ein weiteres Ziel: Dem in vielen Bereichen um sich greifenden Fachkräftemangel soll entgegengesteuert werden.
Patrick Grewis, kommissarischer Leiter der BBS, Kreisbeigeordneter Alex Licht und Ulrich Schneider von der Industrie- und Handelskammer Trier betonen diese Aspekte in ihren Ansprachen.
Ohne Dr. Edmund Semler, Leiter des Indonesien-Projektes, wären vielleicht nicht so viele strahlende Gesichter zu sehen – obwohl die Indonesier auch 11 000 Kilometer von der Heimat entfernt, natürliche Fröhlichkeit an den Tag legen.
Semler lobt die Selbstdisziplin. Trotz der mit Corona verbundenen Schwierigkeiten in der Schule und in den Betrieben hätten alle durchgehalten. „Sie haben sehr konzentriert gearbeitet und dabei manchmal sogar die Zeit vergessen.“
Die Indonesier kämen aus einem Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit. Durch den Kontakt eines indonesischen und eines deutschen Hoteliers sowie durch Frank Weiler (Hotel NaturPur, Meerfeld) und den örtlichen Hotel- und Gaststättenverband sei der Kontakt in die Region zustande gekommen.
Ein ähnliches Projekt mit spanischen Jugendlichen sei aus mehreren Gründen nicht so erfolgreich gewesen. „Ich bin sicher, dass jetzt etwas Großartiges in Gang gesetzt wurde“, sagt Semler.
Dabei geholfen haben auch mehrere Hotels und Restaurants. Bei Markus Reis (Zeltinger Hof, Zeltingen-Rachtig) sind acht Indonesier beschäftigt, im Richtershof in Mülheim zwei. „Der Ausbildungsmarkt ist noch schlechter geworden“, Andrea Mereu (Richtershof). Man müsse in verschiedene Richtungen denken.
Markus Reis hat mit Hardy Prasetio nun einen weiteren Koch, von dem er viel hält. Der junge Mann wird bleiben: „Weil ich noch viele Erfahrungen sammeln will“, sagt der 21-Jährige. Noch einmal zurück zu den Zwillingen Ricky und Nicky. Ricky wird im „Sonnora“ bleiben, Nicky geht ins legendäre „Tantris“ in München.
Zum ersten Mal werden sie getrennt sein. „Wir probieren es“, sagen sie. Ulrike Thieltges wird einen ihrer „Söhne“ nach München bringen.
Gesprengt wird auch die Band der BBS. Die Mehrzahl der Mitglieder, unter ihnen Ricky und Nicky, kamen aus Indonesien. Auch ihre fröhliche Musik wird der Schule fehlen.